Ich glaub, ich seh was

Heute bin ich an einem Werbeplakat vorbeispaziert, auf dem stand: Glaube nur, was du siehst. Dagegen wehrt sich natürlich meine wissenschaftliche Weltanschauung. Denn auch für die exakten Naturbeobachter gibt es bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumt. Wer hat das gesagt? Der Milde eben, gut. Aber wer hat ihm den kühnen Gedanken schon vor Jahrhunderten geklaut? Hamlet. Jetzt bin ich nicht Shakespeare und Sie nicht Horatio. Trotzdem sollte dieser dahingekritzelte Werbespruch einmal unter die Lupe genommen werden. Ich wollte es gerade tun, da belauschte ich (völlig unbeabsichtigt natürlich) zwei Bekannte. Wissen die beiden die Lösung?

Glaubst du auch nur das, was du siehst?
– Dess glabbst obber.
Du siehst mich jetzt, also glaubst du, dass ich da bin.
– Nadürlich nedd!
Glaubst du nicht, dass ich vor dir stehe?
– Nahaa.
Warum denn nicht?
– Ich wass doch wo du stässt. Und glaam hahßt, ned wissn, wasst?
Ach so, du bist heute ein ganz Spitzfindiger.
– Mir kommä nex verzälln.
Dann erzähle ich dir trotzdem was: Ich habe auf einem Plakat gelesen „Glaube nur was du siehst.“
– Des senn die Realoisten, oddä?
Aber das ist doch Blödsinn.
– Die Realidähd? Nä, dess glabbst obbä!
Vielleicht manchmal, aber das meine ich nicht. Ich meine, nur zu glauben, was man sieht, ist Blödsinn.
– Dess maahn ich ahh. Wenn ich glaahb, woss ich siehg, aber nex waass, woss waass ich denn dann scho?
Du verdrehst alles (ungeduldig). – Schau dir doch mal das elektromagnetische Spektrum an.
– A Schpeck Trumm?
Richtig. Die Wellenlängen von den niederfrequenten Längswellen bis hin zu den Gammastrahlen.
– Des soggd der Herr Pfarrer ahh immä. Von Alfa bis Gamma. Des iss a Riesenbereich. Des glaabst obbä.
Das sichtbare Licht ist aber nur ein klitzekleiner Bereich aus dem Spektrum.
– Nur a klaans Trum Schpeck. Mir verstängga uns.
Wenn ich ein Auge hätte, dass für Infrarot empfindlich wäre, würde ich des Nachts einen ganz anderen Himmel sehen.
– Noonoo. Nochts sänn alla Katzn grau.
Das auch.
– Am End gibds die Katzn nochts gor nädd?
Warum soll es nachts keine Katzen mehr geben?
– Meina Aahgn worn ahh schom’mol bessä.
Was hat das damit zu tun?
– Nochts siihh ich hald nimmä so goud.
Und?
– Ich glaab doch vielleicht nur so aweng, woss ich dann siehg, mit meina zwaa Äuchla. Und wenn ich jetzäd mit meim Fernglous nur noch die hochfrequändn Maadla in die Wellen vom Baggäsee ohspecht und mei Alda ihr Schpecktrumm nimmer …
Für dich gilt nicht: Glaube nur was du siehst, sondern besser: denke nur was du begreifst.
– … dann wass ich scho, woss ich glaab.

(Bildnachweis: © Jo.Sephine / photocase.com)