Steuersünde

Schriftsteller sind schon bedauernswerte Geschöpfe. Was denen nach einer kuscheligen Nacht alles durch den Kopf geht. Vielleicht zu gut gekuschelt? Vielleicht zu viel der Inspiration aus dem Finanzblatt geholt? Aber Inspiration muss sein. Doch in Zukunft werde ich mich wieder an meine Muse halten und nicht mehr an Behördenvorschriften. Versprochen (vielleicht).

Gerade noch friedlich jenseits aller Widerwärtigkeiten und Steuervorschriften, cure und jetzt, viagra sale wieder mitten drin. Der friedliche Schlaf schützt mich nicht mehr vor den komplizierten Anforderungen dieser Welt. Neben mir ein leise atmendes Geschöpf des anderen Geschlechts, die Augen sinnlich verschlossen.

Lustgewinn!, brauste mir durch mein morgendliches Hirn. Mehrwert! Steuerpflichtig! Und das am frühen Samstag morgen. Dafür sollte der Schöpfer sein universales Werk hervorgebracht haben? Und nicht für das Wunder der Natur, den Inbegriff der Schönheit, die Sinnlichkeit in Fleisch und Blut, die noch friedlich schlummert?

Vor dem Versteuern steht das Verbuchen. Vor dem Verbuchen das Festsetzen einer Zahl. Meine Steuersoftware erkennt an dieser Stelle nur eine kalte Mengenangabe eines gültigen Zahlungsmittels. Euro. Aber nur vor dem Komma. Dahinter wartet korinthenkackerisch der Cursor zur Eingabe der Centbeträge.

Wieviel ist der Gesang der Nachtigall wert? Wieviel der Panoramablick bis zum Horizont? Wieviel das Lächeln einer schönen Frau? Nun gut, diese lächelt nicht, sie schlummert nur. Ob ich das in Abzug bringen darf? Der Panoramablick zeigt keinen Horizont, sondern ihre geschwungene harmonische Silhouette. Mindert dies die Größe der Zahl, die in die Tabelle eingetragen werden muss, oder erhöht sie sie? Was ist eigentlich der Marktwert? Wie taxiert man Hingabe? Als Dienstleistung?

Schweren Herzens könnte ich Hingabe als Dienstleistung akzeptieren. Denn sie als Ware anzunehmen, wäre mehr als geschmacklos. Doch, kennen die Finanzvorschriften den Begriff der Geschmacklosigkeit? Einer unmoralischen Zuordnung in einem mit schlechtem Gewissen ermittelten Kontengruppe? Etwa Ertragskonto „Lustgutnutzung“?

O, o! Da fällt mir ein, das Steuerjahr endet am 31.12. Und das jedes Jahr. Erbarmungslos. Ein neues beginnt. Ein neuer Kontenrahmen, ein neuer Buchungseintrag, eine neue Steuererklärung. Was ist nun, wenn ich es wagen würde, just um Mitternacht diese Frau, die neben mir so friedlich träumt, zu küssen? Am Ende noch mit einem Glas Sekt in der Hand?

Ein Stein fällt mir vom Herzen. Wenn auch nur ein klitzekleiner. Der Sekt ist bereits beim Kauf versteuert. Aber der Kuss, was ist mit dem Kuss? Wie und vor allem wo ist er einzutragen? Im alten Jahr? Im neuen? Steuersünder können auch in das Gefängnis kommen, wenn sie falsche Angaben machen. Grauenhafter Konflikt. Doch, ich könnte im Klagefall behaupten, der Kuss wäre überhaupt kein Lustgewinn, wäre lästige Pflicht und völlig geschmack-los. Doch, das würde ich nicht wagen. Es wäre gelogen.

Dann fange ich am besten noch einmal von vorne an: Wie ist der Markwert der Lustgewinnverursacherin? Mein Blick fällt auf die Person, die mir so viel Pein verursacht. Mich, einen grundehrlichen Menschen gar zum Betrüger werden lässt. Woran kann ich mich halten? Viel = billig. Wenig = teuer. Das wäre ein Anhaltspunkt. Im Juni, zur Zeit der Erdbeerernte, sind diese preiswerter, als im November, da sie dann aus Südkaprizien importiert werden müssten. Wenn ich nun im Juni, also zur Billigzeit, eine durchschnittlich gewachsene regionale Erdbeere in diesen makellosen Nabel legen würde, um mich erst optisch, dann oral daran zu verlustbaren. Käme ich dann besser weg, als im November? Aber auch die Nachfrage machts. Was wäre, wenn eine Erdbeerallergie ausbrechen würde. Dann würde auch der November den Preis nicht verändern.

Doch zurück zum Kostenwert des Liebreizes. Person = einzigartig. Nachfrage = hoch (die Blicke anderer Steuerpflichtiger beim Sonnenbaden sind unübersehbar). Mehrwert: Po = immer. Leichtes Trägertop = zu den getragenen Zeiten. Duschen = Tage des heimlichen Beobachtens unbedingt auflisten und beilegen. Steuerlich ungefähr vergleichbares Objekt: Bildnis der Nofretete oder der Frühling von Botticelli. Einzigartig und von Millionen Menschen begehrt. Hinzu kommt bei meinem Steuerproblem Lustgewinn und Mehrwert. Ersteres zwar unbeschreiblich, aber unbeschreiblich vorhanden. Letzteres, mein zu versteuerndes Objekt kann unendlich viel mehr. Und alles mit Grazie. Ich fürchte, erst wenn jemand rechtsverbindlich nachgewiesen hat, dass Nofretete bei ihm abwäscht oder Primavera Unkraut jätet, dann wird das Finanzamt ein Einsehen haben

Hinzu kommt Vergnügungssteuer. In unserem Land eine Abgabe auf alle »Vergnügungen«, insbesondere Tanzveranstaltungen, Filmvorführungen, sowie den Betrieb von Spiel- und Unterhaltungsautomaten. Wie flexibel ist ein Oberfinanzinspektor bei der Definition dieser steuerverursachenden Dinge?

Ich könnte ein Bild meiner Geliebten in die Exceltabelle am vorgeschriebenen Ort einfügen. Doch dann zerstöre ich sicher die Datenbank der Steuerverwaltung und lande ebenso im Knast. Oder sollte ich das Finanzamt einfach um eine wundervolle Frau betrügen? Hätte nicht nur Lustgewinn und Mehrwert – hätte auch das kribbelnde Gefühl, etwas Verbotenes zu tun.

»Du bist schon wach, Geliebter?«
»Ich habe nachgedacht.«
»Was denn?«, und räkelt sich verführerisch zu mir.
»Ach nichts«, strecke mich ihr entgegen. Wurscht, denke ich mir, vielleicht kennt mein Steuerberater ja Pauschalen. »Ach doch. Bitte keine selbstgemachte Marmelade mehr von Oma.«
Fragender Augenaufschlag.
»Ich muss steuerrechtlich leider Kompromisse eingehen.«

(Bildnachweis: © JoeEsco / photocase.com)