50 ist doch nur eine Zahl

Einfach hören.

Was soll ich davon halten? Da drückt mir doch ein netter älterer Herr, der sicher eher ein Fuffzicher genannt werden könnte, einen Zettel in die Hand. Mit den besten Grüßen, hat er gesagt. 50 ist keine Primzahl, sag ich, lässt sich doch so eine Zahl durch mehr teilen, als durch sich selbst und ne olle 1.  Dann schon eher Primetime – fälschlicherweise mit „Spätausgabe“ beim Fernsehen übersetzt, ist es doch die wörtlich „wichtige Zeit“. Und trotzdem dieser Zettel. Herrmann Hesse steht drauf und ein Reim ist drin.

Zähne sind noch da, Haare auch und auf Goethe habe ich im Augenblick keine Lust, wenngleich ich ihn in meinem Regal auch nicht missen möchte – für später, die Zeit ab wirklich 50. So gesehen sind wir beide, der nette ältere Herr und ich, noch keine 50. Und die Mädels? Nun ja, man kann ja schon mal ein Auge riskieren.

Der Mann von fünfig Jahren

Von der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt, man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehn die Haare.

Auch die Zähne gehen flöten,
und statt dass wir mit Entzücken
junge Mädchen an uns drücken,
lesen wir ein Buch von Goethen.

Aber einmal noch vor’m Ende
will ich so ein Kind mir fangen
Augen hell und Locken kraus,
nehm’s behutsam in die Hände,
küsse Mund und Brust und Wangen,
zieh ihm Rock und Höslein aus.
Nachher dann, in Gottes Namen,
soll der Tod mich holen. Amen.

Hermann Hesse