Ich glaub, ich seh was

Heute bin ich an einem Werbeplakat vorbeispaziert, auf dem stand: Glaube nur, was du siehst. Dagegen wehrt sich natürlich meine wissenschaftliche Weltanschauung. Denn auch für die exakten Naturbeobachter gibt es bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumt. Wer hat das gesagt? Der Milde eben, gut. Aber wer hat ihm den kühnen Gedanken schon vor Jahrhunderten geklaut? Hamlet. Jetzt bin ich nicht Shakespeare und Sie nicht Horatio. Trotzdem sollte dieser dahingekritzelte Werbespruch einmal unter die Lupe genommen werden. Ich wollte es gerade tun, da belauschte ich (völlig unbeabsichtigt natürlich) zwei Bekannte. Wissen die beiden die Lösung?

Glaubst du auch nur das, was du siehst?
– Dess glabbst obber.
Du siehst mich jetzt, also glaubst du, dass ich da bin.
– Nadürlich nedd!
Glaubst du nicht, dass ich vor dir stehe?
– Nahaa.
Warum denn nicht?
– Ich wass doch wo du stässt. Und glaam hahßt, ned wissn, wasst?
Ach so, du bist heute ein ganz Spitzfindiger.
– Mir kommä nex verzälln.
Dann erzähle ich dir trotzdem was: Ich habe auf einem Plakat gelesen „Glaube nur was du siehst.“
– Des senn die Realoisten, oddä?
Aber das ist doch Blödsinn.
– Die Realidähd? Nä, dess glabbst obbä!
Vielleicht manchmal, aber das meine ich nicht. Ich meine, nur zu glauben, was man sieht, ist Blödsinn.
– Dess maahn ich ahh. Wenn ich glaahb, woss ich siehg, aber nex waass, woss waass ich denn dann scho?
Du verdrehst alles (ungeduldig). – Schau dir doch mal das elektromagnetische Spektrum an.
– A Schpeck Trumm?
Richtig. Die Wellenlängen von den niederfrequenten Längswellen bis hin zu den Gammastrahlen.
– Des soggd der Herr Pfarrer ahh immä. Von Alfa bis Gamma. Des iss a Riesenbereich. Des glaabst obbä.
Das sichtbare Licht ist aber nur ein klitzekleiner Bereich aus dem Spektrum.
– Nur a klaans Trum Schpeck. Mir verstängga uns.
Wenn ich ein Auge hätte, dass für Infrarot empfindlich wäre, würde ich des Nachts einen ganz anderen Himmel sehen.
– Noonoo. Nochts sänn alla Katzn grau.
Das auch.
– Am End gibds die Katzn nochts gor nädd?
Warum soll es nachts keine Katzen mehr geben?
– Meina Aahgn worn ahh schom’mol bessä.
Was hat das damit zu tun?
– Nochts siihh ich hald nimmä so goud.
Und?
– Ich glaab doch vielleicht nur so aweng, woss ich dann siehg, mit meina zwaa Äuchla. Und wenn ich jetzäd mit meim Fernglous nur noch die hochfrequändn Maadla in die Wellen vom Baggäsee ohspecht und mei Alda ihr Schpecktrumm nimmer …
Für dich gilt nicht: Glaube nur was du siehst, sondern besser: denke nur was du begreifst.
– … dann wass ich scho, woss ich glaab.

(Bildnachweis: © Jo.Sephine / photocase.com)

Die lange Erzählnacht zu Bamberg

Im historischen Renaissance-Saal im Schloss Geyerswörth, medical mitten im Herzen von Bamberg, fand gestern die lange Erzählnacht des Vereins Erzähl-Kultur e.V. statt. Konnte Bamberg doch nicht hinter den Städten Coburg, mit seinem Erzählfestival und Forchheim, mit seiner Puppentheaterwoche, zurückstehen. Und überall hat dieser kleine, aber umtriebige Verein seine Finger im Spiel. Für mich gab es dabei die Gelegenheit einige meiner Texte (Steuersünde und Sexuelle Evolution) aus „dahingedacht.de“ zum Besten zu geben. Ein einzigartiges Erlebnis in diesem historischen Rahmen. Wer mehr erfahren möchte, gehe auf die Galerie unter Erzähl-Kultur.de

Lesung anlässlich der langen Erzählnacht zu Bamberg 2009

Lesung anlässlich der langen Erzählnacht zu Bamberg 2009

Schreibphase

Hin und wieder beautragt mich meine Verlegerin mit etwas Sonderbarem. „Schreib mir doch was über Schreibphase.“ Toll, store dachte ich, Schreibphase hat für mich immer etwas mit Chaos im Kopf zu tun. 1000 und mehr Gedanken und Bilder, die nach einer Ordnung, dem sogenannten Plot, suchen. Wie kann man sowas in Worte fassen, die dann auch noch nachvollziehbar sind? Und ich fing ganz von vorne an. Woher kommen die Ideen? Von überallher. Na, wunderbar. Wie kriege ich die in Worte? In dem ich einen Stift in die Hand nehme. Weiß ich jetzt mehr als vorher? Nein. Aber so ist das nun mal in der beginnenden Schreibphase. Man weiß nie, wie es ausgeht. Jedenfalls lese ich nie das Ende meiner Ideen zuerst. Man will sich doch nicht die Spannung nehmen. Also muss ich schreiben. Alles klaro?

Meine Glosse „Schreibphase“ findet sich ab sofort im neuesten Magic Wallpaper, das anlässlich der Frankfurter Buchmesse herausgegeben wurde und hinter diesem KlickMich.

Magic Wallpaper Frankfurter Buchmesse 2009

Sexuelle Evolution

Verstehen Sie das andere Geschlecht? Ich gestehe, ich auch nicht. Deshalb musste ich mir das Thema mal ganz sachlich und wissenschaftlich vorknöpfen. So von Anfang an. Ich meine jetzt nicht das erste Kennenlernen meiner Frau. Als ich sie nervös und aufgeregt gefragt habe, ob sie mal mit mir ausgehen möchte und ihr schon längst klar war, wie sie das gemeinsame Wohnzimmer einrichten wird. Ich bin auch nicht der, der rumschreit, dass er seine Rippe wiederhaben will. Sondern der, der überlegt, wie das alles angefangen haben könnte. Auf meiner Spurensuche bin ich auf zwei schon bekannte Flachdenker gestoßen und habe heimlich gelauscht. Nur zu wissenschaftlichen Zwecken natürlich.

Hast du dich schon einmal mit Evolution beschäftigt?
– Effl … olutziohn?
Richtig. Evolution besagt, dass eins aus dem anderen entstanden ist und sich dabei weiterentwickelt.
– Mai Fraa soggt ahh immä: du mit deim ge-effl. Damit mahnt sa bestimmd den Geistmenschen in mir.
Schon möglich. Aber weißt du vielleicht, wie lange es her ist, seit sich der Neanderthaler und der heutige Mensch getrennt haben?
(denkt nach) des is bestimmd scho a booa Jährla her. Mei Fraa werd soung‘, …
… wenn man dich so anschaut …
– woher wassd denn des jetzt?

Ich habe mitgedacht.
– Gell, aah su a  Errungaschaft der Effloollutziohn.
250 000 Jahre ist das her.
– dess der Neander fremd ganga is‘?
Andersrum: dass er nicht mehr fremd gegangen ist, sondern sich nur noch in der eigenen kleinen Gruppe fortgepflanzt hat. (schmunzelt) Spass muss sein.
– Ja, wasstd du, wos du dou soggst?
Natürlich, die evolutionären Stammbäume sind in Jahrhunderttausenden niedergeschrieben. So ist das mit der Schöpfung.
– Des mahn ich ned. Ich mahn, du soggst, fremd geeh schützt vorm Sterrbm.
Die Gattung natürlich – die Art.
– Solld mä ned amoll wiedä woss fä die Effloollutziohn mach’n? (stößt ihm auffordernd in die Seite) Für die Gaddung, die Ahrd?
Da hätte sicher deine Gattin was dagegen. Aber höre weiter: Wann haben sich Menschen und Affen evolutionsbiologisch getrennt?
– Oh, oh, oh! Dess sin looonga Zeidräum. Des ist ja scho … weiiid …
Etwa 15 Millionen Jahre. Der letzte gemeinsame Vorfahre war der Proconsul. Ein nettes kleines affenähnliches Wesen.
– Aha.
Und der letzte Gemeinsame von Säugetier und Reptil?
– Dou fräggst wos. Dou kommä lang drübä nouchdenggn. Wenn ich su überläich …
Es war eine Segelechse vor etwa 280 Millionen Jahren.
– Du willst doch auf irgendwos naus. Du fräggst mich doch des Zeuch ned, weil der Tag so schee is und ich su a aufgeweggds Källchen bin.
Wann haben sich evolutionstechnisch Mann und Frau voneinander wegentwickelt?
(guckt ungläubig)
Die Antwort ist: man weiß es nicht genau. Die ältesten Beweise sind 565 Millionen Jahre alt. Man hat in Australien ein wurmähnliches Wesen namens Funisia Dorothea gefunden. Als älteste Gemeinsamkeit.
– Di Doro?
Erschreckend, nicht?
– A Wurrrm?
Allmählich kann ich verstehen, dass man glauben mag, Mann und Frau kommen von verschiedenen Planeten.
– Bin ich dann wohl eher mid’m  Pinguin nähä väwandt …?
… und kannst ihn besser verstehen, als eine Frau.
– Drum harmonier’n wir körrbälich nur manchmal.
Aber gerade das sollte evolutionstechnisch doch klappen.
– Ned, wenn sie soggd – ned.
Zwischen Wollen und Können ist auch ein Unterschied.
– Däbei hobb ich’s ganz einfühlend mit weiblicher Indelligenz brobiert.
Was hast du denn gesagt?
– Sie kennd sich selbä doch an He-Punkt vordäuschen.
Mir scheint, du hast dich vom Hauptstrang der Evolution noch früher abgespaltet.
– Bestimmd. Wassd ja, wer fremd geht läbd längä

(Bildnachweis: © Eidolyn / photocase.com)

1 ganzes Jahr dahingedacht

Nun ist es soweit. Irgendwann musste es geschehen. Da tippt man unbedarft vor sich hin und dann trifft es einen wie mit einem Schlag. Das ist nun mal so, click werden die einen sagen – war ja voraus zu sehen, buy viagra die anderen. Doch wenn es dann soweit ist, viagra ist es soweit und man freut sich.

Seit einem Jahr fließt Flüssiges bis Überflüssiges den Bach, oder sollte ich geografisch korrekter schreiben, die Regnitz hinunter. Immer wieder wird getextet, ausprobiert und satirisch zusammengefasst. Da stehen völlig ungeordnet tiefgründige Gedichte neben flachgründigen Dialogen. Kursive Unterdurchschnittsbürger treffen auf neunmalkluge Exzentriker und formulieren Gedanken, die Sie sich schenken können. Dazwischen die eine oder andere Nachricht über das verworrene Autorenwirken eines Grottenolms (siehe oben) auf seinem Irrweg durch das Alphabet.

Ein Jahr und die Quelle ist noch nicht versiegt, regelmäßig 3-stellige Besucherzahlen auf dahingedacht.de – wenn das kein Grund zum Feiern ist …

Interview feelgoodradio (Foto: Tamara Pirschalawa)

Interview feelgoodradio (Foto: Tamara Pirschalawa)

Bamberg zaubert eine unsittliche Gebrauchsanweisung

Fränkischer Tag zu Super-Sinnisch-Sonja

Samstag noch in Anzug und Rappermütze, buy heute schon im FT (lokale Tageszeitung). Meine Gebrauchsanweisung für die „Super Sinnliche Sonja“, die in dieser Website ihren Anfang nahm, kam scheinbar am Rande der mehrtägigen Traditionsveranstaltung „Bamberg zaubert“ in … na, wo? … ganz gut an. Und das freut mich. Andererseits ist es überraschend, wenn plötzlich Interesse an Gebrauchsanweisungen im besten (besser: schlechtestem) Gebrauchsanweisungsdeutsch aufkeimt. Also: „Du nehmen Super-Sinnisch-Sonja mit zu Stunden-Tatort …“ oder freuen sich einfach mit mir über die gute Presse. Danke meiner Erzähl-Kollegin Peggy Hoffmann. Sie hat den Text spontan in ihrer unvergleichlichen Art pantomimisch begleitet. Danke auch Frau Redakteurin Petra Mayer aus Bamberg!


Ein erotisches Märchen

Die zweite Geschichte aus Kochende Leidenschaft und mehr, store der Anthologie aus dem Wendepunkt-Verlag, troche ist ein Experiment. Irgendwann gelüstete es mich ein erotisches Märchen zu schreiben. „Der listige Imker“ entstand. Eher zum Schmunzeln als zum Hecheln, capsule wird mir der Hard-Core-Leser vielleicht vorhalten. So sollte es sein, würde ich antworten.

 

Und achte darauf, liebe Maid, dass dich keine Biene sticht und sich nicht der Imker auf dich legt.

Es war einmal Mariechen, das Mädchen mit den güldenen Haaren, den gleichen güldenen Haaren wie sie ihr Mütterchen früher gehabt hatte.
»Geh‹ und lasse diesen Eimer vom Imker mit Honig füllen. Ich bin krank und Honig ist die beste Medizin.«
»Ja, Mutter. Ich werde mich beeilen und sogleich Honig für dich holen.«
Warnend hob diese noch den Zeigefinger. Schwächlich versuchte sie sich dabei im Bett aufzusetzen. Hustend nach Luft ringend.
»Mein Mariechen, lasse Vorsicht walten. Achte darauf, dass keine der Bienen dich sticht und dulde nicht, dass sich der Imker auf  dich legt.«
»Arme, kranke Mutter,« lachte Mariechen, »ich werde tun wie du sagst und darauf achten, dass keine Biene mich sticht oder der Imker sich auf mich legt.«
»Gut, gut,« hustete die Alte erneut, »jetzt geh‹ und komme recht schnell wieder.«
Auf einem Beinchen hüpfend wollte das Mädchen, welches schon sichtbar erblüht war, gerade zur Tür hinaus. Dort drehte sie sich noch einmal um.
»Mutter, warum würde denn der Imker sich auf mich legen wollen?«
»Weil er alt ist, mein Mariechen, und du jung und schön.« Noch einmal hob sie warnend den Finger. »Wenn er sich auf dich legt, wirst du alt und er jung und schön.«
Das Mädchen lachte fröhlich auf.
»Dann achte ich darauf, dass er sich nicht auf mich legt.«
Und sie war zur Tür hinaus.
Fröhlichen Herzens sprang und sang Mariechen auf ihrem Weg zur Imkerhütte am Bergeshang, wo die bunten Blumen blühen. Ihr Röckchen flatterte wie eine Fahne im Wind, doch ihr Mieder war artig verschnürt. Der Imker sah das Mädchen mit seinem Eimerchen schon von Weitem kommen.
»Herr Imker, Herr Imker,« rief sie, als sie seine Tür erreichte.
»Komm‹ rein, wer immer es ist,« antwortete er aus seiner Imkerstube. Dort hantierte er mit gar seltsamen Dingen, die Mariechen noch nie gesehen hatte.
»Ich soll für meine kranke Mutter Honig holen,« sagte sie artig, »dabei soll ich darauf achten, dass mich keine Biene sticht und der Imker sich nicht auf mich legt, hat die Mutter gesagt.«
»So,« lächelte der Imker, der Mariechen gar nicht so alt erschien, wie ihr erzählt worden war, »dann werden wir erst einmal aufpassen, dass dich keine Biene sticht.« Derweil räumte er den Tisch frei.
»Stell‹ nur dein Eimerchen auf den Boden und beuge dich über den Tisch,« sagte er.

<Ende des Leseauszugs>

(Bildnachweis: © Irina Karlova - Fotolia.com)

Kochende Leidenschaften

Heute ist sie eingetroffen. Die erste erotische Anthologie an der ich mich beteiligt habe. 2 Geschichten habe ich ins Rennen geschickt – 2 kamen an, treat beim Wendepunkt-Verlag. Bei der ersten geht es um ein geheimnisvolles orientalisches Rezept. Die erste Seite davon können Sie unten lesen, aber dazu später. Zuerst möchte ich von dem knallroten Buch mit illustrem Titelbild schwärmen und berichten, dass sich auch Kochrezepte darin befinden. Vielleicht sogar das orientalische aus den Tiefen der Schatzkammer des Kalifen.

Kochende Leidenschaften aus dem Wendepunkt-Verlag

Kochende Leidenschaften

Martha lachte schallend auf.
„Das glauben Sie doch selbst nicht“, gluckste sie, als sie sich wieder beruhigt hatte.
Vorsichtig ließ Adalbert noch den Hauch einer Prise Koriandersaat in ihr Glas schneien, aus dem orientalische Düfte emporstiegen. Für einen kurzen Augenblick musste Martha ihre Augen schließen und sog sie in sich auf.
„Wirklich“, bekräftigte Adalbert noch einmal. „Die Rezeptsammlung hat mein Onkel Karl, der gelehrter Altertumsforscher und eifriger Hobbykoch war, einmal in einer geheimen Schatzkammer eines längst verschwundenen Kalifengeschlechtes entdeckt.“
Martha riss ihre Augen wieder auf.
„Kalif?“, stotterte sie, „Schatzkammer? … Kochrezepte? …“ Sie wollte gerade weiterkichern, da überkam sie das unbestimmte Gefühl, dass es unpassend wäre. Statt dessen griff ihre Hand, schnell und heftig, als wäre sie mit einem eigenen Willen ausgestattet, nach dem Aperitif, den Adalbert ihr mit erwartungsvollem Blick reichte.
Das Gewürz verursachte auf der trägen Oberfläche des smaragdgrünen Getränks unbekannter Mischung wunderliche Muster. Wie magische Symbole aus längst vergangenen Zeiten zogen sie erst Marthas Augen und dann ihre Hand an. Es war, als würde sie hineingezogen, in einen magischen Strudel dieser geheimnisvollen Flüssigkeit. Beinahe hätte sie etwas des kostbaren Getränks verschüttet, so hektisch war sie geworden. Mit einem Ruck setzte sie das Glas an und übersah dabei völlig, das erhobene des Gastgebers, der zu einem Trinkspruch ansetzte. Doch das Glühen in den Augen seiner Besucherin bedeutete ihm mehr, als einige höfliche Worte für die Frau, der er nach Monaten vergeblicher Versuche ihr näherzukommen, endlich ein ‚ja’ für eine Essenseinladung entlockt hatte.
Eigentlich hatte sie ihm signalisiert, dass sie von den Kochkünsten eines Mannes wie ihm nichts Besonderes erwartete, aber sie wollte nicht zickig wirken, was sie bei einer neuerlichen Ablehnung aber befürchtet hätte. Wenn sich der Abend durch ein von Männerhand verdorbenes Hauptgericht verkürzte, dann wäre ihr das nur Recht.
„Und?“, fragte Adalbert erwartungsvoll.
Aber Marthas Hand mit dem Glas war beim Ansetzen an den Mund plötzlich erstarrt. Ihr Blick schien in die unergründlichen Tiefen des orientalischen Cocktails zu blicken. Eingefangen von einer fernen und doch fundamentalen Macht. Sie reagierte nicht.
„Schmeckt es?“, hakte Adalbert noch einmal nach.
Martha zuckte kurz. Riss den Blick empor und starrte Adalbert an, als wäre er ein Unbekannter. Wehmut umspielte ihre Augen. Als hätte die sinnliche Wahrnehmung in ihrer Nase eine Tür zu unbekannten Sphären in ihrem Inneren aufgestoßen. Schnell nippte sie an der Flüssigkeit, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, sie möge das extra für diesen Abend gemixte Getränk nicht.
Die Besucherin wollte gerade an allen sinnlichen und übersinnlichen Erfahrungen dieses Geruchserlebnisses vorbei eine schnelle Bewertung wie ‚ganz gut’ oder ‚nicht schlecht’ abgeben, da entfaltete sich die Kühle der Mixtur auf ihren Lippen und ihrer Zungenspitze. Martha brachte kein Wort heraus. Wie ein Hauch aus den Bergen des Libanons, der an den hohen Zedern vorbei die Düfte unzähliger Gewürze mit sich trug, brandete ein unbekanntes Trommelfeuer auf ihren empfindsamen Mund. Den flüssigen Smaragd, der scheinbar den Trank durchmischte, glaubte sie in das Rot ihrer Lippen und die Sinnesrezeptoren ihrer wildgewordenen Zunge eindringen zu spüren. Sie konnte sie unmöglich stillhalten, geschweige denn ein Wort formulieren. Wie eine Liebende in höchster Leidenschaft wand sie sich durch den geschlossenen Mund. Schmiegte sich an den Gaumen, um sich einen Herzschlag später rückwärts nach hinten in die Richtung des Rachens zu pressen. Dann wieder vor zu den Zähnen, um schließlich auch diesen Widerstand zu brechen. Diese öffneten das Gefängnis und ließen der Zungenspitze freien Lauf zu den Lippen. Mit Aufbietung aller Selbstkontrolle versuchte Martha, diese innige Liebkosung unsichtbar für Adalbert bleiben zu lassen und presste ihre Lippen aufeinander.
Gleich einem Tiger in einem Käfig fuhr sie unruhig innen hin und her.
Mit dem Ausdruck eines genießerischen Kenners verfolgte Adalbert das Mienenspiel seiner Besucherin. Er wusste genau, was in ihr vorging, denn er kannte die Rezepte. Schließlich fragte er mit einem Anheben seiner Augenbrauen noch einmal nach.
Von dem geplanten ‚mir schmeckts’, kam sie über den ersten Buchstaben nicht hinaus. Und diesen zog sie so lang, wie schon lange nicht mehr. Ihre Zungenspitze nützte die Gelegenheit und huschte grün eingefärbt über die zuckenden roten Lippen.
Adalbert bedankte sich für dieses unzweifelhafte Lob mit einem hintergründigen Lächeln. Er wusste um den Zauber der geheimen Rezepte. Und er wusste, dass er keinen unflätigen Anmachspruch angebracht hatte, als er anfangs ankündigte, dass sein Gast jeden neuen Gang der Köstlichkeiten, mit einem bittend verlangenden Blick und einem entledigten Kleidungsstück als Pfand erflehen würde.
‚Das glauben Sie doch selbst nicht’, hatte die adrette, aber unnahbare Martha gesagt. Und jetzt konnte man sehen, wie ihre Zunge gleich einem ekstatischen Tanz, hinter Wangen und Lippen unbekannten Emotionen Ausdruck zu verleihen suchte.
Adalbert klapperte leise in der Küche. Die Vorspeise würde gelingen, dessen war er sich sicher.
Noch immer stand Martha mit ihrem Begrüßungscocktail im Wohnzimmer. Zu ihrer Rechten loderten wilde Flammen in einem Kamin. Das Knacken der brennenden Scheite trug zu einer romantischen, doch für Martha beinahe surrealen Atmosphäre bei. Ihr Finger kreiste durch die Reste des zauberhaften Getränks und sammelte die letzten Tropfen auf. Mit hektischem Atem und pochenden Puls strich sie diese auf ihre Lippen und darum herum. Lechzend nahm ihre Zunge sie auf.
Ohne dass Martha an die anfänglichen Worte ihres Gastgebers dachte, ließ sie ihr nachtblaues Kostümjäckchen zu Boden gleiten.
Achtlos.

<Ende des Leseauszugs>

50 ist doch nur eine Zahl

Einfach hören.

Was soll ich davon halten? Da drückt mir doch ein netter älterer Herr, der sicher eher ein Fuffzicher genannt werden könnte, einen Zettel in die Hand. Mit den besten Grüßen, hat er gesagt. 50 ist keine Primzahl, sag ich, lässt sich doch so eine Zahl durch mehr teilen, als durch sich selbst und ne olle 1.  Dann schon eher Primetime – fälschlicherweise mit „Spätausgabe“ beim Fernsehen übersetzt, ist es doch die wörtlich „wichtige Zeit“. Und trotzdem dieser Zettel. Herrmann Hesse steht drauf und ein Reim ist drin.

Zähne sind noch da, Haare auch und auf Goethe habe ich im Augenblick keine Lust, wenngleich ich ihn in meinem Regal auch nicht missen möchte – für später, die Zeit ab wirklich 50. So gesehen sind wir beide, der nette ältere Herr und ich, noch keine 50. Und die Mädels? Nun ja, man kann ja schon mal ein Auge riskieren.

Der Mann von fünfig Jahren

Von der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt, man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehn die Haare.

Auch die Zähne gehen flöten,
und statt dass wir mit Entzücken
junge Mädchen an uns drücken,
lesen wir ein Buch von Goethen.

Aber einmal noch vor’m Ende
will ich so ein Kind mir fangen
Augen hell und Locken kraus,
nehm’s behutsam in die Hände,
küsse Mund und Brust und Wangen,
zieh ihm Rock und Höslein aus.
Nachher dann, in Gottes Namen,
soll der Tod mich holen. Amen.

Hermann Hesse

Servile Hausfrauen frisch serviert

Die Zaubertapete, sildenafil offiziell: das Magic Wallpaper, hat wieder zugeschlagen. Diesmal auf der Düsseldorfer Kö, beim Festival des Bücherbummelns. Ein von mir kürzlich verarbeitetes „Lehrbuch für die gute Ehefrau“ hat Niederschlag in diesem Wallpaper gefunden. Hoffentlich muss ich mich jetzt nicht auf den Einschlag der Frauenwelt auf Wangen und Backen einstellen.

Unten nur die erste Seite; den vollständigen Text finden Sie über die obigen Links.

Anno 1955 - Hausfrau mit 3 Akten

Der Wandertaler

Einfach hören.

Die Erzählkultur, pharmacy ein initiativer Bamberger Verein rund um Erzählen, Geschichten und Wundersames, hat eine Aufgabe gestellt. Alle, die sich letzten Mittwoch zu ihrem Stammtisch verlaufen hatten, sollten zu einem Gegenstand, der aus einem geheimnisvollen Krabbelsack gefischt werden konnte, eine kleine Geschichte schreiben. Mein Ding war ein Gauditaler zu etwas was ich nicht kenne. Ob die Bewertung der Erzähloberen Lob oder Tadel für mich bedeutet, weiß ich nicht. Aber ich bin gespannt.

Der Wundertaler

Vorsicht! Aus der Bahn!
Flott und verwegen rollte und huschte und hüpfte er dahin. Die Straße entlang. Kein Bordstein war ihm zu hoch, kein Spalt zwischen den Pflastersteinen zu tief. Nur vor den Gulliöffnungen musste er sich in Acht nehmen. Wie schnell war man dort auf nimmerwiedersehen verschwunden.
Doch der kleine nachtschwarze Taler verschwendete keinen Gedanken an die Straßenfallen für Münzen, Parkscheine und Stöckel der Stöckelabsätze. Er musste weiter. Wohin? Das war egal. Es war Sandkerwa. Der Slalom zwischen den 1000 Beinen elektrisierte ihn.
Hopps! Eine Stufe hinauf, hier konnte er das Treiben besser beobachten. Der Taler, aus orientalischem Zedernholz geschnitzt, in den Mysterien des Orients gewässert und die Geheimnisse von 1001 Nacht in sich verborgen, gönnte sich eine kleine Pause. Die Jagd zwischen den Spaziergängern war gerade das Richtige für ihn. Er, der aus den himmelhohen Zedern des Libanon geschnitzt war. Die Legende sagt, dass der Baumeister, der einst die Schiffe Sindbads zimmerte, aus einem Holzbalken, der übrig geblieben war, eine Handvoll Windtaler schnitzte, damit sie, wie der große Seefahrer Arabiens, durch die Welt stürmten und deren Geschicke in sich aufnehmen konnten.
Doch genug in der Vergangenheit sinniert. Wieder hinein in die heiterste Heiterkeit, die die alte Stadt im Sand zu bieten hat.
Mit hohem Sprung katapultierte er sich von dem Absatz wieder auf die Straße.  Vorbei an eislutschenden Kindern, schlendernden Verliebten – einmal musste er sogar einem Hund ausweichen, der sich zu dem Kunststück anschickte auf 3 Beinen zu stehen.  Doch dieser Köter warf ihn, unvorhersehbar für den weisen Geschichtentaler, in die Hände eines Lausbuben in kurzen Hosen.
»Die Bamberger Gaudimaschine!«, hielt er seinen Zufallsfund triumphierend hoch. »Und ich hab sie gefunden.«
Die Tarnung, die auf der Oberfläche aufgedruckt war, neben einem listigen Fuchs in der Mitte, konnte der Junge nicht durchschauen. Denn die Verziehrungen aus Sternen und Symbolen des Wüstenhimmels seiner Heimat war nur im Mondlicht zu erkennen, wenn man neben dem Brunnen des Lustgartens des Kalifen und Gönners des Schiffsbaumeisters stand. Doch das brachte dem Taler im Augenblick nicht viel. Vorerst konnte ihn nichts und niemand aus den klebrigen Zuckerwattehänden befreien. Erst wenn die besagte Gaudimaschine erreicht wäre. Doch es kam anders.
»Es reicht, jetzt geht es heim«, war eine typische Mutterstimme zu hören.
»Nein, nicht jetzt«, bettelte der Junge. »Ich muss unbedingt noch einmal zu Gaudimaschine.«
»Da warst du heute erst drei Mal.«
»Gell, du sagst auch, dass das zu wenig war?«
»Ich sage, dass es für heute reicht.«
»Manno! Ich hab aber noch …«
»… genug erlebt. Andermal ist auch wieder ein Tag«, vervollständigte die Mutter den Satz. »Du weißt, als Kind kann man häufig noch nicht entscheiden, wann Schluss sein muss.«
»Aber ich bin schon in der Pubertät«, protestierte der Junge.
»Umso schlimmer«, kam zur Antwort, begleitet von einem Ruck, als die Frau den Jungen fest an die Hand nahm und an sich zog. Dieser kam so plötzlich, dass der Schleckklebstoff den Taler unmöglich weiter festhalten konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde vergaß er, selbst über die plötzliche Bewegung erschrocken, den schwarzen runden Gegenstand in der Hand des Jungen festzuhalten. Und schon war es passiert. Mit einem weiten Sprung flog das Ding mit den beinahe unsichtbaren Symbolen, die es als Geheimnisträger auswies, hoch durch die Luft und gewann beim Rücksturz so viel an Flugenergie, dass es schneller, als es denken konnte die Rathausbrücke hinauf schoss.
Auf frisch gemalten Aquarellbildern hinterließ der Taler eine verschönernde Spur in sich hineinwirbelnder Farben. Mit einem Oopps, O,o, tschuldigung, gab er ein kurzes Gastspiel im Geigenkoffer eines fahrenden Musikantenstudenten und katapultierte sich, Ruhe und Sicherheit suchend auf die Brüstung. Doch, oje, der freie Fall zwischen den barockenen Gemälden der Rathausaußenwand und der kleinen Kneipe mit den schiefen Zimmern, ließ in dem schwarzen Etwas nur noch einen kurzen Gedanken aufblitzen: Bei allen Geistern des Orients! Sindbad lässt grüßen! Die 7 Meere zu meinen Füßen und sie kommen rasch näher.
Mit der Eleganz eines windschnittigen Wellenstürmers hechtete der Taler in die Fluten. Strömungen schleuderte ihn hierhin, Strudel dorthin. Die Speichen eines verrosteten Fahrrads erwiesen sich als gefährliches Labyrinth. Ein alter Stiefel als tiefe Höhle des einäugigen Zyklopen, einem Warzenwels mit Algen und Muscheln übersäht.
Unter dem Schutz eines halb verfallenen leicht gebogenen Holzes, welches noch immer sorgfältig die Form aufwies, die ihm der Büttner einst zugedacht hatte, fand der weltgereiste Taler endlich etwas Ruhe.
Es war ein wundervoller Platz, gegenüber des Kranen, halb dem Ufer hinauf. Der Zederntaler konnte sich nicht sattsehen, im Sand, zwischen Domberg und Klein-Venedig einen der malerischten Plätze der Welt gefunden zu haben. Der Himmel über ihm und Bamberg um ihn herum. Was konnte es Schöneres geben? Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat – und satt war er immer noch nicht.
Doch es näherte sich wieder die Zeit des Sandfestes. Das spürten sogar die Karpfen und Forellen in der Regnitz. Schnappten nach allem, was ihnen vor die Lippenmäuler kam. Der Taler meinte zuerst, der Riesenfisch, der sich mit schwarzem Schatten näherte, wollte ihn nur zur Freude des Tages küssen, als er seine pumpenden Lippen immer näher kommen sah. Und es war ein Kuss, wie er inniger nicht sein konnte. Zumindest aus dem Erleben des Zaubertalers heraus. Das Maul sog ihn ein. Bewegte ihn zwischen seinen Kiemen und spuckte das seltsame Teil in hohem Bogen hinaus.
»Eher ersticke ich, als dass ich das runde kleine widerwärtige Ding fressen könnte«, schimpfte er.
Ein Kuss, ein schwindelerregender Höhenflug, das muss der Augenblick höchster Liebe sein, freute sich der Taler und tanzte vor Freude wieder über Stufen und Stege, Bordsteine und Menschenbeine, Spaziergänger und Spaziersteher.
Und wie er gerade, mit fröhlichem Herzen, über die Liebe nachsann, während er besonders gern unter den langen Beinen und kurzen Röcken entlang sprang, griff man wieder nach ihm. Daumen und Zeigenfinger pressten ihn, hochhaltend.
»Einmal Karussell für das schönste Schneckla«, lud der Mann seine Freundin ein, die er in der anderen Hand hielt.
»Du weißt wohl genau, wie man die Mädels schwindelig macht?«
Seine Augen grinsten hintergründig.
»Und welches Karussell macht einen Schwerenöter wie dich schwindelig?«
Das Grinsen verschmitzte zunehmend in den Mundwinkeln. Dann nahm er den Wundertaler, steckte ihn ordentlich in das sommerliche Dekollette seiner Begleiterin und glucksend schenkte sie ihm dafür Kuss und Schmus. So wie die beiden der Natur folgen, so tat es auch der Taler. Er folgte der Schwerkraft. Bluse, bauchfrei, Boden.
Nach soviel Sinnenlust war sogar ihm schwindelig. Immer wieder musste er sich im Kreis drehen. Immer enger wurden die Kurven. Schließlich schlackerte seine Gestalt bedenklich, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Und Plumps!, lag er da.
Wer weiß, wie die Abenteuer des kleinen runden Dinges aus dem fernen Orient wohl weiter gegangen wären, wäre da nicht eine Geschichtensammlerin des Weges gekommen. Achtlos waren viele an dem schwarzen Taler auf schwarzem Pflaster vorbeigegangen. Nicht so die Frau mit dem  großen Schatzsack. Sie wusste sofort, dass das einer war, der viele Erlebnisse in sich trug. Vorsichtig hob sie ihn auf, wischte ihn sorgfältig ab, besah ihn aufmerksam und ließ ihn freudestrahlend in den großen Schatzsack gleiten.
Er hätte sich erst einmal die Augen reiben müssen, wenn er welche hätte, um etwas in dem Halbdunkel zu sehen.
»Gestatten, ich bin süß und meine Geschichten sind süß«, begrüßte ihn ein kleiner, noch ordentlich verpackter Kaffeezucker.
»Krachbumm, Action gibt es nur mit mir!«, stellte sich ein Auto-Scooter-Bon vor.
»Eigentlich bin ich ja der größte. Wenn ich mal ausgepackt werde, werde ich mindestens einen Meter lang«, prahlte das Kondom.
»Aufgeblasener Kerl«, beschwerte sich eine Teetüte.
»Du bist besser ganz ruhig. Du bist ja leer«, gab der Gummischutz zurück.
»Aber ihr Inhalt soll wie eine leuchtende Rakete zu den Sternen geflogen sein«, flüsterte ehrfürchtig ein kleiner Teddybär.
Der wundersame Taler freute sich. »Hier bin ich richtig. Ich trage auch Geschichten und Märchen und Legenden in mir.« Gespannt blickten ihn die anderen an.
Welche würde er wohl als erstes erzählen?

Partnersuche der ornithologischen Art

Einfach hören.

Spammails können voller Weisheit sein. Das musste ich schon an einer anderen Stelle dieses Blogs feststellen. Interessant sind sie vor allem dann, advice wenn sie auf mein ureigenes Jagdrevier hinweisen. Als Umweltschützer und Tierliebhaber, thumb werde ich bei Vögeln hellhörig und lausche welche Geheimnisse sich in den Nestern und Verstecken in unmittelbarerer Nachbarschaft abspielen.

Nur der Fachmann erkennt: Eine scheue Lummenvögelantin ist in der Nähe und ruft ihr lockendes Wha-Wha-Wha

Vögel sind ja rein biologisch und natürlich erklärbar. Da ist nichts Übernatürliches oder Unmoralisches dabei. Ob ein bunter Federbusch oder ein spitzer Schnabel, ob geröteter Bürzel oder harter Röhrenknochen. Alles dient der wundervollen Natur, dem Höhenflug und der Faszination des Lebens. Und das nicht nur im fernen Australistan, sondern auch hier vor der eigenen Haustür in Flur und Feld. Wundervoll die selbstlose Benachrichtigungsmail, die mich auf die exotischen Vögelinnen aus meiner Umgebung hinweist. Ein wahrer Naturfreund muss dies sein, der sich die Mühe macht und auf die seltenen Wunder der Fauna hinweist. Vögellantinnen, die vielleicht nur wenige hundert Meter von mir entfernt fröhlich turteln und die nur darauf warten dem Hahn zu zeigen, wo die Bürzeldrüse ihren Eingang hat. Der Fachmann spricht bei dieser Federregion auch von sogenannten Puderdunen.

Es ist immer wichtig solchen Nachrichten im E-Mail-Postfach erstens mit der nötigen Skepsis, zweitens dem nötigen Fachwissen entgegenzutreten. Nur so lässt sich der Spreu vom Weizen trennen. Wie schnell wird im schnelllebigen und weltumspannenden Internet einem eine Werbemail mit zweifelhaftem Charakter untergeschoben. Am Ende noch mit doppeldeutigem und irreführendem Titel. Aber nicht mit mir!

Gut vorbereitet ist halb ornithologisiert. Aber eigentlich sagt der Titel schon alles: Vögeln mit einem Luder aus deiner Umgebung. Hier hat wahrscheinlich der Tippfehlerteufel zugeschlagen. Der Autor dieser Mail meint vermutlich eine Lumme. Eine Lumme, so muss ich dem Laienleser erklären, ist ein besonderer Vogel, der vom Wissenschaftler auch Uria aalge genannt wird. Der zum Teil dämmerungsaktive Vogel ist bekannt durch die spitze Form der Eier. Zumeist hocken sie sich auf einen sogenannten Lümmel- oder Lummenfelsen und stoßen dabei ein lautstarkes Wha Wha Wha aus. Wha Wha Wha

Diese informative Mail hat mein Weltbild und mein Wissen erweitert. Jetzt weiß ich, dass es unter jenen auch Exemplare gibt, die ihren Brustbereich aufplustern können und mitunter das doppelte ihre Körpergewichts einnehmen. Spezialistinnen decken verschiedene Ökonischen ab. Die französische Luderlumme schnäbelt deutlich häufiger als zum Beispiel die griechische, die sich lieber die Bürzeldrüse (lat. Glandula uropygialis) massieren lässt. Beim Laien weniger beliebt ist zu Unrecht die Abart aus dem Flachland. Hingegen werden die aus der Region des ausufernden Meerbusens hofiert. Auch aus diesem Grund ist diese Infomail so wichtig. Sie klärt über regionale Besonderheiten auf. Exotische Lümmelinnen im sommerlichen Kleid, soweit das Auge reicht.

Angerufen habe ich bei der Vögelhotline trotzdem nicht. Zuhause gurrt es sich am schönsten, hat mir mein Weibchen gezwitschert.

(Bildnachweis: © Marquis / photocase.com)